Die neuen EU-weiten Standards ESRS zum Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD – Teil 3

Die neuen EU-weiten Standards ESRS zum Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD – Teil 3
1.3.2023
Artikelübersicht

In unserem ersten Teil der Themenreihe „Nachhaltigkeit nach CSRD“ haben wir Ihnen im November 2021 die Grundzüge des neuen Richtlinienentwurfs dargelegt, der u. a. eine externe Prüfung vorsieht. Im zweiten Teil haben wir das Konzept der doppelten Wesentlichkeit näher beleuchtet. Der folgende Artikel soll sich nun mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), den Berichtsstandards der CSRD beschäftigen.

Der Zweck der Nachhaltigkeitsberichterstattung liegt grundsätzlich in erhöhter Transparenz für die Stakeholder eines Unternehmens – insbesondere finanzielle. Um diese Transparenz sowie Vergleichbarkeit, Prüfbarkeit und Qualität der ESG-Informationen in den künftigen Berichten sicherzustellen, sieht die CSRD EU-weit einheitliche Standards vor: die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Zur Erinnerung: Bisher haben Unternehmen Wahlfreiheit, ob und welchen der unterschiedlichen Standards, z.B. GRI, DNK oder TCFD, sie nutzen möchten.

Die ESRS werden von einem Verein entwickelt, der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), beauftragt von der Europäischen Kommission. In Zusammenarbeit mit z.B. der EZB, Expertengruppen der Mitgliedsstaaten, aber auch im Austausch mit bestehenden Standardsetzern wie GRI, SASB und TCFD wurden bereits Entwürfe erarbeitet und der Europäischen Kommission übergeben. Es fehlt noch die Verabschiedung als delegierte Rechtsakte bis Juni 2023.

Werden wir konkret: Wie sehen diese Standards nun aus?

Aktuell liegen Entwürfe der sektorübergreifenden Standards zu den drei Nachhaltigkeitssäulen Umwelt, Soziales und Governance vor, ebenso wie Querschnittsstandards, die allgemeine Angaben und Anforderungen erläutern. Dazu sollen bis Mitte 2024 auch sektorspezifische Standards und KMU-Standards entwickelt werden.

Die einzelnen Standards sind immer ähnlich aufgebaut: Zuerst werden die im Unternehmen vorliegenden Governance-Strukturen zum betroffenen Teilgebiet (z.B. Eigene Arbeitskräfte) abgefragt, ebenso wie getroffene oder geplante Maßnahmen im jeweiligen Themengebiet. Auf diese qualitativen Informationen folgen dann quantitative Messgrößen und Ziele zum jeweiligen Teilgebiet – von Treibhausgasemissionen unter „Klimawandel“, über Indikatoren für Diversität unter „Eigene Arbeitskräfte“ bis bestätigte Vorfälle von Korruption und Bestechung unter „Verantwortungsvolle Geschäftspraktiken“. Die fünf Umwelt-Standards enden jeweils damit, dass potenzielle finanzielle Auswirkungen sowie Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Themengebiet anzugeben sind.

Ein beispielhafter Blick in den Standard zu Klimawandel (ESRS E1): Klimawandel

Allgemeine Offenlegung:

DR E1-1: Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels
DR E1-2: Politische Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an den Klimawandel
DR E1-3: Maßnahmen und Ressourcen im Zusammenhang mit der Klimapolitik

Messgrößen und Ziele:

DR E1-4: Ziele im Zusammenhang mit der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel
DR E1-5: Energieverbrauch und -mix

Energieintensität auf Basis des Nettoumsatzes:

DR E1-6: Brutto Scope 1, 2, 3 und Gesamt THG-Emissionen auf Basis des Nettoumsatzes

THG-Intensität auf Basis der Nettoeinnahmen:

DR E1-7: Durch Emissionsgutschriften finanzierter THG-Abbau und THG-Minderungsprojekte
DR E1-8: Interne Kohlenstoffbepreisung
DR E1-9: Potenzielle finanzielle Auswirkungen des materiellen Wandels und potenzielle klimabezogene Chancen

Es zeigt sich, dass die unterschiedlichen Anforderungen, die sog. Disclosure Requirements (DR), auch mit unterschiedlich viel Aufwand in Erhebung, Aggregation und Darstellung verbunden sind. Insbesondere einige der Kennzahlen erfordern anfangs das Etablieren neuer, geeigneter Strukturen und Prozesse – sollten sie nicht bereits erhoben werden. So fordert DR E1-6 u.a. die Angabe der Scope 3 Treibhausgasemissionen, was nicht die direkt im Unternehmen entstehenden Emissionen miteinschließt, sondern die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette betrifft. Im Gegensatz dazu soll in DR E1-5 lediglich der Energieverbrauch und -mix des Unternehmens in MWh dargestellt werden, welcher sich vergleichsweise einfach ermitteln lässt bzw. oft bereits ermittelt wird.

Zu jedem Disclosure Requirement gibt es ausführliche Erklärungen, die – derzeit nur auf Englisch – hier eingesehen werden können.

Die Einschätzung der potentiellen finanziellen Auswirkungen des materiellen Wandels, wie sie in DR E1-9 gefordert wird, schließen im obigen Beispiel drei Arten von Risiken/Chancen ein, mit denen sich das Unternehmen durch den Klimawandel konfrontiert sieht:

  • Potenzielle finanzielle Auswirkungen von wesentlichen physischen Risiken (z.B. Starkregenereignisse, Hitzewellen)
  • Potenzielle finanzielle Auswirkungen von wesentlichen Übergangsrisiken (z.B. stärkere Regulatorik bezüglich Schadstoff- und CO2-Emissionen)
  • Das Potenzial, wesentliche klimabezogene Chancen zu verfolgen (z.B. neue Märkte für Technologien zur Vermeidung des oder zur Anpassung an den Klimawandel)

Ein beispielhafter Blick in den Standard zu Arbeitnehmern in der Wertschöpfungskette (ESRS S2): Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette

Management von Auswirkungen, Risiken und Chancen:

DR S2-1 - Richtlinien in Bezug auf Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette
DR S2-2 - Verfahren zur Einbindung von Arbeitnehmern in der Wertschöpfungskette in Bezug auf die Auswirkungen
DR S2-3 - Verfahren zur Behebung negativer Auswirkungen und Kanäle für Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette, um Bedenken zu äußern
DR S2-4 - Ergreifung von Maßnahmen in Bezug auf wesentliche Auswirkungen auf Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette und Ansätze zur Minderung wesentlicher Risiken und zur Verfolgung wesentlicher Chancen in Bezug auf Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette sowie die Wirksamkeit dieser Maßnahmen

Messgrößen und Ziele:

DR S2-5 - Ziele in Bezug auf das Management wesentlicher negativer Auswirkungen, die Förderung positiver Auswirkungen und das Management wesentlicher Risiken und Chancen

Dieser Standard fordert z.B. nach DR S2-3 die Offenlegung von Verfahren zur Behebung negativer Auswirkungen ebenso wie Informationen über Kanäle für Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette, um Bedenken zu äußern. Hier besteht also die Frage nach Hinweisgebersystemen, die auch für Dritte zugänglich sind und den dazu im Unternehmen etablierten Prozessen sowie Konzepte für Abhilfemaßnahmen. Außerdem soll beschrieben werden, wie das Unternehmen die Verfügbarkeit der Kanäle am Arbeitsplatz der Arbeitnehmer der Wertschöpfungskette unterstützt bzw. vorschreibt. Spätestens mit Eintreten der Berichts- und Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz LkSG werden die hier geforderten Informationen bei den betroffenen Unternehmen vorliegen und dokumentiert sein, sodass man sich hier Mehrarbeit sparen kann. Und auch für Firmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern sollten die Prozesse im Rahmen des Qualitätsmanagements größtenteils vorhanden sein. Sie könnten bspw. eine Compliance-Hotline oder -Mailadresse inkludieren und die Kommunikation darüber über die Lieferantenvorgaben regeln.

Bei den sozialen Standards bewegen sich die Messgrößen und Ziele auf einer qualitativeren und umfangreicheren Ebene als die Umweltstandards: Es wird die Offenlegung von zeitgebundenen, ergebnisorientierten Zielen in Bezug auf das Management wesentlicher negativer Auswirkungen, die Förderung positiver Auswirkungen und das Management wesentlicher Risiken und Chancen verlangt. Diese Ziele sollen u.a. Basiswert und -jahr, Zwischenziele, Methodik und Annahmen darlegen, ebenso wie den Gesamtfortschritt im Laufe der Zeit, einschließlich der Art und Weise, wie das Ziel überwacht wird.

Falls keine Zielsetzung zum jeweiligen Themengebiet erfolgt, ist anzugeben, ob und wann dies für die Zukunft geplant ist oder es sind Gründe zu nennen, weshalb dies nicht beabsichtigt ist.

Voraussichtlich werden viele Unternehmen zur Erfüllung dieser Offenlegungspflichten neue Prozesse anstoßen müssen, um messbare und nachvollziehbar gesteckte Ziele zu definieren und vor allem nachzuhalten. Zum Beispiel könnte sich ein produzierendes Unternehmen das Ziel setzen, für existenzsichernde Löhne bei seinen Produzenten in asiatischen Ländern zu sorgen. Hierzu führt es eine entsprechende Verpflichtung der Produzenten ein und plant, die Einhaltung jährlich durch eine unabhängige Multi-Stakeholder-Initiative vor Ort überprüfen zu lassen. Gemessen wird der Fortschritt anhand der Kaufkraftparität der Arbeitnehmer in Dollar.

Fazit

Die neuen Standards zum Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD werden viele Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Jedoch lassen sich bei genauerem Hinsehen unter den verschiedenen zu berichtenden Größen auch etliche identifizieren, die mit vergleichsweise geringem Aufwand erhoben werden. Auch durch Abgleich mit und Miteinbezug von bereits bestehenden Managementsystemen, bei denen nichtfinanzielle Informationen erhoben und verarbeitet werden, können Synergien genutzt und Komplexität reduziert werden.